Das unerbetene Geschenk

Zahlreiche Organisationen lehnen das Frauenwahlrecht ab, darunter der 1912 gegründete Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation. Ihm gehören vorwiegend protestantische, deutschnational und antisemitisch gesinnte Männer an; ein Viertel der Mitglieder sind weiblich. Für sie gilt: Dem Manne der Staat, der Frau die Familie. Auch die konservative Frauenbewegung und die konfessionellen Verbände wenden sich gegen die politische Teilhabe. Der Katholische Deutsche Frauenbund verhält sich passiv. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund bemüht sich lediglich um kirchliche und kommunale Partizipation. Er ist die einzige protestantische Organisation, die sich dem Bund Deutscher Frauenvereine anschließt. Nachdem dieser 1917 offensiv das allgemeine Wahlrecht fordert, treten die evangelischen Frauen aus. Als aber das Stimmrecht verkündet wird, kommen Parteikandidatinnen auch aus den Reihen der kirchlichen Frauenbünde.

Die Gegner/innen argumentieren mit einer naturgegebenen Geschlechterordnung, aus der sie das traditionelle Rollenverständnis herleiten: Aus biologischen oder religiösen Gründen seien Frauen für Haushalt, Kinder und Wohlfahrtsarbeit zuständig. Eine politische Urteilskraft wird ihnen abgesprochen, da sie zu impulsiv und emotional wären. Selbst Theodor und Emilie Fontane sind sich in der Ablehnung des Wahlrechts einig. Zwischen beiden entspinnt sich ein Briefwechsel, als sie 1870 für einige Wochen in London weilt und durch die befreundeten Gastgeber in die Diskussionen zum Frauenstimmrecht verwickelt wird. Emilie Fontane gibt zu, sich damit nicht befasst zu haben, denn sie sei als Fontanes Ehefrau in so einer guten Position, dass sie gar keine andere wolle. Er begrüßt ihre Antwort und schreibt: „Man kann all diesen Dingen gegenüber sagen ‚warum nicht!’ aber doch noch mit größrem Recht: ‚wozu?’“ Und das, obwohl er mit Hedwig Dohm – die schon früh das Wahlrecht fordert – gut bekannt ist und regelmäßig ihren Salon besucht.

Noch 1937 schreibt Otto Dibelius, die Frau habe ihre Bestimmung von Gott und das bedeute, „dass sie zunächst einmal die Frau ihres Mannes ist und die Mutter ihrer Kinder“.
Sogar nach der Einführung des Wahlrechtes wird dagegen protestiert. Die Potsdamer Tageszeitung berichtet am 21. Februar 1919 von Helene March aus Charlottenburg, die eine Eingabe gegen das Frauenstimmrecht an die Weimarer Nationalversammlung senden will, da „das unerbetene Geschenk“ weder dem Wohl des Vaterlandes noch der Frauen diene.

 

Paula Mueller-Otfried
Die ursprüngliche Gegnerin des Wahlrechts vertritt von 1920 bis 1932 die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) im Reichstag und prägt dort maßgeblich die Frauenarbeit mit. Pauline Sophie Christiane Mueller kommt 1865 in Hoya zur Welt. Nach einer höheren Schulbildung ist sie in der kirchlichen Armenpflege tätig. Sie schließt sich dem Deutsch-Evangelischen Frauenbund an, baut eine Ortsgruppe in Hannover auf und gibt die Verbandszeitung heraus. 1901 übernimmt sie den Vorsitz des Bundes. Zusammen mit Adelheid von Bennigsen initiiert sie 1905 in Hannover das Christlich-soziale Frauenseminar, das Personal für Sozialberufe ausbildet.
Während des Krieges engagiert sich Paula Mueller als Vorsitzende des Nationalen Frauendienstes in Hannover. Über die von ihr 1913 mitgegründete Vereinigung konservativer Frauen schafft sie es 1918, an den Beratungen des Programms der DNVP teilzunehmen. Für diese Partei kandidiert sie 1920 erfolgreich bei der Reichstagswahl und erweitert ihren Namen um den zweiten Vornamen des Großvaters. Paula Mueller-Otfrieds Themen im Parlament sind unter anderem Frauen- und Jugendschutz. Ab 1921 gehört sie mehreren Kirchengremien an. 1930 erhält sie von der Universität Göttingen den theologischen Ehrendoktortitel.
Um der Gleichschaltung zu entgehen, gliedert sich der Evangelische Frauenbund 1933 der Frauenarbeit in der evangelischen Kirche an. Paula Mueller-Otfried bleibt nun ohne Amt. Den Nationalsozialismus begrüßt sie, sieht aber die Ausgrenzung der Frauen kritisch. 1946 stirbt sie in Einbeck.

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