Das Recht auf Rednerbühne und Schafott

Schon 1791 beginnt der Kampf ums Frauenstimmrecht. Während der Französischen Revolution sendet die politisch aktive Schriftstellerin Olympe de Gouges die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ an die Nationalversammlung in Paris. Darin fordert sie freie Wahlen sowie die Gleichbehandlung von beiden Geschlechtern. Sie schreibt: „Die Frau hat das Recht auf das Schafott zu steigen; sie muss gleichermaßen das haben, ein Podium zu besteigen.“ Ihr Engagement für Freiheit und Gleichheit von Mann und Frau bezahlt Olympe de Gouges 1793 mit dem Tod durch die Guillotine.

Die Britin Mary Wollstonecraft weilt zu dieser Zeit ebenfalls in Frankreich und veröffentlicht 1792 ihre „Verteidigung der Rechte der Frau“. Auch dieses Plädoyer für die Gleichberechtigung verhallt zunächst ungehört.

Olympe de Gouges

Die mutige Kämpferin für die Gleichberechtigung kommt 1748 im südfranzösischen Montauban unter dem Namen Marie Gouze zur Welt. Sie besucht keine Schule, lernt lediglich Lesen und Schreiben. 1765/66 wird sie mit dem Küchenchef Louis-Yves Aubry verheiratet, mit dem sie ein Kind bekommt. Nach 1768 zieht sie mit ihrem Sohn Pierre nach Paris und nimmt den Künstlerinnennamen Olympe de Gouges an – abgeleitet vom Vornamen ihrer Mutter und einer abgewandelten Form ihres Familiennamens. Durch intensives Selbststudium erlangt sie schriftstellerische Fähigkeiten und politische Weitsicht. 1774 verfasst sie ihre erste Denkschrift gegen die Sklaverei. Sie besucht politische Clubs, die Nationalversammlung und die Salons der Intellektuellen. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen verarbeitet sie ab 1784 in Theaterstücken und gesellschaftskritischen Romanen. Themen sind ledige Mutterschaft, uneheliche Kinder, Recht auf Ehescheidung, außereheliche sexuelle Beziehungen und Armut. Olympe de Gouges erhebt Forderungen nach Gleichstellung, Rechtsreformen, freien Wahlen sowie Trennung von Kirche und Staat. Maximilien de Robespierre lässt sie wegen ihres politischen und feministischen Engagements am 3. November 1793 in Paris hinrichten.

Votes for Women

Im 19. Jahrhundert wächst der weltweite Kampf um das Frauenstimmrecht. Er wird vor allem von Frauen geführt. Am bekanntesten sind die britischen Suffragetten (suffrage = Wahlrecht), insbesondere der sich ab 1910 radikalisierende Teil. Bis 1914 entstehen allein in Großbritannien 56 Stimmrechtsorganisationen, darunter die liberale National Union of Women’s Suffrage Societies und die militante Women’s Social and Political Union (WSPU). Die dort engagierten Frauen stammen vorwiegend aus der Mittel- und Oberschicht. Sie senden Petitionen an Politiker und ziehen regelmäßig vor das Londoner Parlament. Suffragetten organisieren Demonstrationen und Proteste vor Fabriktoren und Golfanlagen. Banner, Flaggen, Embleme und Anstecker lassen die Forderung „Votes for Women“ sichtbar werden und finden sich ebenso auf Alltagsgegenständen und in der Mode wieder. Der radikale Flügel scheut auch vor Gewalt nicht zurück. Orte männlicher Macht werden durch Steine, Bomben und Säure zerstört. Viele Suffragetten kommen in Haft, gehen in den Hungerstreik, rund 1.000 werden zwangsernährt. Einige Frauen sterben bei Auseinandersetzungen mit der Polizei.

In den USA finden ebenfalls regelmäßige Protestaktionen statt. Die Wochenschau Universal Animated Weekly berichtet Ende Februar 1913 vom Pilgermarsch der Suffragetten zur großen Stimmrechtsdemonstration am 3. März in Washington.  Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung machen sich am 12. Februar vierzehn New Yorkerinnen von Newark/New Jersey aus auf den Weg in die Hauptstadt. Vor sich haben sie 180 Meilen. In Nahaufnahme sind die prominenten Führerinnen Rosalie Jones (mit Pilgerstab) und Elisabeth Freeman zu sehen.

1920 wird in den USA das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen eingeführt, Großbritannien folgt 1928, Frankreich 1944. Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung nimmt sich die öffentlichen Proteste gegen die Diskriminierung zum Vorbild für eigene Aktionen, die allerdings nicht so radikal und symbolträchtig verlaufen.

Das Suffragettenspiel „In and Out of Prison” (1908) greift die zahlreichen Verhaftungen der britischen Frauenrechtlerinnen auf. Ziel ist die Befreiung aus der Londoner Haftanstalt „Holloway“. Dafür müssen Gefängniswärterinnen und Polizisten übersprungen und die Kästchen mit der Aufschrift „Open Door“ erreicht werden. Das Original befindet sich zwar in der Women’s Library London, aber Sie können mit einem Duplikat im Frauenwahllokal spielen!


Emmeline Pankhurst

Die Ikone der Suffragettenbewegung wird 1858 in Manchester geboren und führt den radikalen Flügel der britischen Frauenrechtsbewegung. Emmeline Goulden stammt aus einem politisch agierenden Elternhaus. Sie lernt von 1873 bis 1879 in Paris auf einer Mädchenschule. Kurz danach heiratet sie den Rechtsanwalt Richard Pankhurst, der sich für das Frauenwahlrecht einsetzt. Mit ihm ist sie in der sozialistischen Independent Labour Party aktiv, arbeitet zeitweise ehrenamtlich als Armenfürsorgerin und bekommt fünf Kinder. Nach seinem Tod 1898 verdient Emmeline Pankhurst ihr Geld als Standesbeamtin und in der städtischen Schulkommission. Gemeinsam mit ihren Töchtern Christabel, Sylvia und Adela widmet sie sich nun verstärkt dem Frauenwahlrecht. 1903 sind Emmeline und Christabel Gründungsmitglieder der Women’s Social and Political Union und leiten diese bald mit autoritärem Selbstverständnis. Emmeline Pankhurst wird mehrfach inhaftiert und zwangsernährt, ohne dass sie von ihren Zielen abrückt.

Nach den schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei am 18. November 1910 radikalisiert sich die WSPU. Emmeline Pankhurst: „Wir dulden nicht mehr länger, dass mit Frauenleben gespielt wird. Die Gesetze, die wir befolgen sollen, wollen wir auch machen dürfen“. Nach der Auflösung der WSPU 1917 gründet sie mit Tochter Christabel die Women’s Party, die zwei Jahre existiert. Am 14. Juni 1928 stirbt Emmeline Pankhurst in London. Drei Wochen später tritt das volle Wahlrecht für Frauen in Kraft.

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.