Wacht auf Ihr deutschen Frauen!

Louise Otto-Peters und Hedwig Dohm bereiten der bürgerlichen Stimmrechtsbewegung den Weg. Der einen gehört die Frauen-Zeitung in Sachsen. Darin fordert sie 1849 „Mündigkeit und Selbstständigkeit im Staat.“ Die andere ruft 1876: „Erwachet, Deutschlands Frauen. Fordert das Stimmrecht!“ Ihrem Appell folgt 1894 auch der Verein Frauenwohl. Dessen Hamburger Ortsgruppe ermöglicht es Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und Minna Cauer, 1902 den Verband für Frauenstimmrecht aufzubauen. Politische Mitbestimmung für beide Geschlechter lautet das zentrale Ziel, schließt doch das Dreiklassenwahlrecht auch geringverdienende Männer aus. Rednerinnen reisen durch das Land und verbreiten die Forderung. International vernetzt sich der Verband 1904 mit dem Weltbund für Frauenstimmrecht. Später spalten sich zwei Organisationen ab: 1911 die Vereinigung für Frauenstimmrecht und 1913 der Stimmrechtsbund. Das Spektrum umfasst radikale, gemäßigte und konservative Meinungen, die vom sofortigen Wahlrecht für alle bis zum Dreiklassenwahlrecht für Frauen als ersten Schritt reichen. Uneinigkeit verhindert das gemeinsame Vorgehen.

Während des Krieges engagieren sich die meisten im Nationalen Frauendienst – um dem Vaterland zu dienen. Sie erhoffen sich dafür Gleichberechtigung. Doch der Kaiser ignoriert sie 1917 bei der geplanten Wahlrechtsreform. Nun erst kooperieren bürgerliche und sozialdemokratische Frauen. Trotz ideologischer Schranken fordern sie zusammen ihr Stimmrecht und senden Petitionen an alle Parlamente.

Hedwig Dohm

1873 greift die Frauenaktivistin im Aufsatz „Der Jesuitismus im Hausstande“ die von Louise Otto-Peters gestellte Forderung des Frauenstimmrechts auf und wird zur Kämpferin für diese Sache. Hedwig Marianne Adelaide Schlesinger kommt 1831 in Berlin als eines von 18 Kindern eines Tabakfabrikanten zur Welt. Ihren Eltern trotzt sie das Lehrerinnenseminar ab. 1853 heiratet sie Ernst Dohm, Chefredakteur der politischen Satirezeitschrift „Kladderadatsch“. Bis 1860 bekommt das Paar fünf Kinder. Während der Schwangerschaften übersetzt Hedwig Dohm Verse aus dem Spanischen, was ihr ohnehin vorhandenes Gefühl für Sprache fördert. Auch die Intellektuellen und Künstler, die im Hause Dohm verkehren, wecken ihr literarisches Potential. Sie schreibt Novellen, Romane und journalistische Texte; ihre Bühnenstücke werden im Berliner Schauspielhaus aufgeführt. Ihr erster Essay über Frauenrechte erscheint 1872. Weitere folgen, in denen sie ironisch und humorvoll frauenfeindliche Theorien analysiert, so wie 1902 in „Die Antifeministen“. Dem Vorwurf der Männerfeindlichkeit entgegnet sie: „Gegen welchen Mann? Doch nur gegen denjenigen, der meine Entrechtung für alle Ewigkeit festhalten will, der das Weib nur als Durchgang zum eigentlichen Menschen – als Gebärerin des Mannes – gelten läßt.“

Hedwig Dohm mahnt gleiche Rechte für alle an und setzt sich für die gemeinsame Ausbildung von Mädchen und Jungen ein. Dafür erhält sie Zustimmung aus der Frauenbewegung, meist jedoch Ablehnung. Noch gelten ihre Ansichten als zu radikal. Hedwig Dohm verweigert sich auch dem Modediktat der Zeit. Sie trägt ihr Haar offen und statt eines Korsetts fließende Kleider. Für sie besteht ein Zusammenhang zwischen Körper, Sport und Wahlrecht: Nur eine Frau, die ihren Körper spüre und deren Lebensfreude nicht abgeschnürt werde, sei wirklich mündig.

Nach dem Tod ihres Mannes 1883 ist sie verstärkt schriftstellerisch tätig. Den Frauenverein Reform, der sich für das Mädchenstudium einsetzt, gründet sie 1888 mit und tritt auch dem Verein Frauenwohl bei.
Die Pazifistin, deren Warnungen im Krieg ungehört bleiben, erlebt noch die Einführung des Frauenwahlrechts. Am 1. Juni 1919 stirbt Hedwig Dohm in Berlin.

Frauen aller Länder vereinigt Euch!

Sozialistische Frauen verbinden die Forderung des Stimmrechts mit der Befreiung der Arbeiterklasse vom Kapitalismus. Damit scheidet das Zusammengehen mit der bürgerlichen Frauenbewegung aus, die ebenfalls Vorbehalte hat: Gelten doch bis 1890 die Sozialistengesetze, mit denen die Sozialdemokratie unterdrückt werden soll. Selbst der Bund Deutscher Frauenvereine nimmt keine proletarischen Organisationen auf. Im Programm der SPD ist der Kampf ums Stimmrecht zwar seit 1891 verankert, doch auch hier herrschen Antifeminismus und das Streben nach einem bürgerlichen Familienmodell: Frauenerwerbsarbeit bedeutet Konkurrenz, Mütter sollen in der Familie wirken. Eigener Lohn ist aber Voraussetzung für weibliche Emanzipation, so Clara Zetkin, Führerin der proletarischen Frauenbewegung.

Nach der Jahrhundertwende suchen die Sozialistinnen stärker die Öffentlichkeit. Während die Gemäßigten sich schrittweise dem Stimmrecht nähern wollen, verlangt eine Minderheit radikaleres Handeln. Ein weltweites Netzwerk entsteht 1907 mit der Gründung der Sozialistischen Fraueninternationale. Sie erreichen noch im selben Jahr die Verpflichtung aller sozialistischen Parteien, sich für das Frauenstimmrecht einzusetzen. Der erste Internationale Frauentag findet 1911 zeitgleich in Deutschland, Dänemark, Österreich, Bulgarien und der Schweiz statt – er wird zum Kampftag für das Frauenwahlrecht.

1914 tritt das nationale Engagement für den Krieg in den Vordergrund. Die Fraueninternationale löst sich auf. Erst 1917 agieren Sozialdemokratinnen und bürgerliche Frauen zusammen für politische Mitbestimmung.


Clara Zetkin

Die Sozialistin wird 1857 in Wiederau als Tochter eines Lehrers geboren. Ihre Mutter ist 1865 an der Bildung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins beteiligt. Bei der Mitinitiatorin des Vereins, Auguste Schmidt, besucht Clara Josephine Eißner das Lehrerinnenseminar in Leipzig. 21-jährig schließt sie sich der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands an. Aufgrund der Sozialistengesetze erhält sie keine Stelle im öffentlichen Schuldienst. Nach Jahren als Hauslehrerin folgt sie 1882 ihrem Partner, dem russischen Sozialisten Ossip Zetkin, nach Paris. Hier kommen 1883 und 1885 ihre Söhne Maxim und Konstantin (Kostja) zur Welt. Aus Prinzip und um die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder zu sichern, heiratet das Paar nicht. Sie nimmt jedoch seinen Namen an.

In Paris erlebt Clara Zetkin die Gründung der II. Internationale. Sie spricht dort als Delegierte über die Frauen- und Arbeiterinnenfrage. Nach dem Tod Ossip Zetkins 1889 kehrt sie nach Deutschland zurück und wird Chefredakteurin der Arbeiterinnenzeitschrift „Die Gleichheit“. 1899 heiratet Clara Zetkin den Maler Friedrich Zundel. Ab 1907 leitet sie das neu gegründete SPD-Frauensekretariat und das Internationale Frauensekretariat. Ihr zentrales Thema wird das Wahlrecht für Proletarierinnen.

März 1915: Clara Zetkin organisiert die erste internationale Frauenfriedenskonferenz in Bern – und muss wegen Landesverrats vier Monate in Haft. Von der Kriegspolitik ihrer Partei enttäuscht schließt sie sich 1915 dem Spartakusbund und 1917 der USPD an. Die SPD entzieht ihr daraufhin die Leitung der „Gleichheit“ und übergibt diese an Marie Juchacz. 1919 wechselt sie zur KPD, die sie von 1920 bis 1933 im Reichstag repräsentiert, ab 1932 als Alterspräsidentin. Clara Zetkin bleibt der KPD treu, obwohl sie aufgrund ihrer parteiinternen Kritik zunehmend isoliert wird. 1932 siedelt sie in die Sowjetunion über, ein Jahr später stirbt sie in Archangelskoje bei Moskau.

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