Potsdamer Sozialdemokratinnen


Pauline Wuttke
Trotz SPD-Vorstandsarbeit in Ortsverein und Frauengruppe gilt die 1880 geborene Parlamentarierin bei ihrer Wahl 1928 als Hausfrau. Pauline Marie Baier stammt aus Nieder Herzogswaldau (Mirocin Dolny). Eine Berufsausbildung ist nicht bekannt, jedoch eine Anstellung zwischen 1922 und 1924 im Mieterverband Potsdam, wo sie auch Schriftführerin ist. Sie arbeitet bei der SPD-Zeitung Potsdamer Volksblatt und führt 1928 vorübergehend die Nowaweser Geschäftsstelle. Mit ihrem Ehemann Emil Wuttke, Schirrmeister und Schmied, hat sie drei Kinder; die 1907 geborene Tochter Helene schließt sich ebenfalls der SPD an.
Pauline Wuttke ist ab 1929 die einzige Frau in den städtischen Ausschüssen und vertritt die Stadt im Kuratorium von sozialen Einrichtungen wie der Frank’schen Stiftung (Waisenhaus und Schule für Knaben) und dem Rückert-Stift (Wohnhaus für Frauen). Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 muss Pauline Wuttke ihren Abgeordnetenplatz räumen. Der Polizeipräsident Wolf-Heinrich Graf von Helldorff verbietet ihr am 20. Juli die Tätigkeit als Stadtverordnete. Ihre weitere Beschäftigung sei „eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“. Ob sie sich danach politisch betätigt, ist nicht bekannt. Pauline Wuttke stirbt 1950 in Potsdam.


Else Bauer
Die 1893 in Potsdam geborene kaufmännische Angestellte schließt sich 1917 der neu gegründeten USPD an. 1920 heiratet Else Hausmann Ludwig Bauer, der eine fünfjährige Tochter mit in die Ehe bringt und ebenfalls Parteimitglied ist. Nach der Spaltung der USPD im selben Jahr wechseln beide zur SPD. Sie arbeiten für die Parteizeitung Potsdamer Volksblatt – er ab 1925 als Geschäftsführer, sie in der Anzeigenwerbung. 1928/29 vertritt Else Bauer die Sozialdemokraten in der Stadtverordnetenversammlung; sie ist dort unter anderem für Bittgesuche zuständig. Im März 1933 wird das Potsdamer Volksblatt eingestellt. Ludwig Bauer, der auch gewerkschaftlich aktiv ist, taucht während des Krieges in Italien unter, um nicht verhaftet zu werden.
Else Bauer leitet ab 1945 die Abteilung Arbeit und Sozialfürsorge im brandenburgischen Landesvorstand der SPD. 1946 gehört sie der SED-Fraktion im Potsdamer Stadtparlament und dem Frauenausschuss an. Im selben Jahr wird Ludwig Bauer die Führung des Arbeitsamtes Potsdam übertragen. Else Bauer ist Mitglied im SED-Landesvorstand und von 1946 bis 1950 Vizepräsidentin des Brandenburger Landtages. Etwa 1948 überfallen sowjetische Militärangehörige sie auf einer Dienstreise. Sie überlebt mit einer schweren Kopfverletzung, ihr Chauffeur stirbt. Zum Tag der Republik am 7. Oktober 1961 erhält sie den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze. Mittlerweile sehen Else und Ludwig Bauer die Entwicklung in der DDR kritisch. 1967 reisen sie zur Familie ihrer Tochter nach Westberlin aus. Else Bauer stirbt kurz darauf, er 1986.


Anna Flügge
Die SPD-Stadtverordnete kommt am 3. September 1885 in Potsdam zur Welt. Anna Wilhelmine Paula Schütze besucht die Volksschule und lernt autodidaktisch Schreibmaschine schreiben. 1906 heiratet sie Eduard Flügge, Tapezierer, Mineralwasserfabrikant und Installateur in Potsdam. Sie übernimmt ein Seifengeschäft und bekommt zwischen 1907 und 1919 drei Kinder. Durch ihren Mann wird ihr Interesse für die SPD geweckt. Sohn Friedrich, 1911 geboren, schließt sich ebenfalls der Partei an.
Für die Legislaturperiode von November 1929 bis März 1933 sitzt Anna Flügge zusammen mit Pauline Wuttke und Hedwig Pusch in der 13-köpfigen SPD-Fraktion des Stadtparlaments. Außerdem fungiert sie als Schriftführerin im SPD-Wahlverein und ist in der Arbeiterwohlfahrt aktiv.
Am 22. Juni 1933 wird die SPD verboten. Rückblickend schreibt Anna Flügge am 21. Juni 1961 ihrer Tochter Margarethe über die Monate danach: „(…) im September erschien die SA in unserer Geschäftsstelle (der Arbeiterwohlfahrt) in der Charlottenstraße. Man durchsuchte unseren Raum besonders nach verbotenen Drucksachen, beschlagnahmte unsere Nähmaschine und Schreibmaschine sowie die restlichen Sachen aus unseren Sammlungen. Mit jeder von uns anwesenden Frauen gingen zwei SA-Männer mit, um auch bei uns Haussuchungen durchzuführen. Das ging bei uns nicht in so roher Weise vor sich, wie man es zuweilen hört. Ich musste sämtliche Schränke öffnen, damit sie ihren Inhalt kontrollieren konnten. Als sie dabei an unseren Kleiderschrank kamen, hatte ich wildes Herzklopfen, denn ich wusste genau, daß in der Brusttasche von Vaters Anzug ein illegales Flugblatt steckte, wenn sie das fanden, waren wir reif für die Gestapo. Zum Glück wühlten sie nicht alle Taschen durch, sondern fühlten sie nur von außen ab. (…) Aus dem Bücherschrank wurden verschiedene Bücher beschlagnahmt und auch einige Zeitschriften. Schon im Laufe des Jahres 1933 hatte Fritz (ihr Sohn, J.T.) zusammen mit einigen jungen Leuten versucht, Flugblätter herzustellen und zu verbreiten. Sie waren zu Besprechungen zuweilen in unserer Laube zusammen gekommen. Da erhielt Euer Vater durch einen bekannten Polizeibeamten eine Warnung, daß Fritz bereits in Verdacht stehe und beobachtet würde. Daraufhin meldete sich Fritz zu dem damals noch freiwilligen Arbeitsdienst. Auf diese Weise kam er von Potsdam fort und es passierte ihm nichts.“
In den folgenden Jahren betätigt sich Anna Flügge nicht mehr politisch. 1936 gründen sie und ihr Mann den Kleingartenverein „Bergauf“ am Pfingstberg mit.
Das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 ist Auslöser für die Aktion „Gewitter“: Am 22. und 23. August 1944 werden ehemalige Funktionäre und Abgeordnete der Weimarer Republik verhaftet. Sie kommen vorwiegend aus der SPD, KPD und der Gewerkschaft, unter ihnen sind Anna Flügge und ihre Parteikollegin Hedwig Pusch. Die Gestapo überstellt sie am 1. September ins KZ Ravensbrück, lässt sie jedoch am 7. September wieder frei, Hedwig Pusch am 20. September. Nach Kriegsende tritt Anna Flügge erneut der SPD bei und wird 1946 in die SED übernommen. Sie stirbt am 19. Oktober 1968 in Potsdam.


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