Frauenwahlparty und Finissage

Sie werden fehlen in Potsdams Stadtbild: die vielfarbigen historischen Wahlplakate im Schaufenster, die lebensgroßen rosa-schwarzen Silhouetten auf dem Gehweg davor und vor allem die vielfältigen Aktivitäten, die im Frauenwahllokal in der Dortustraße 22 und überall in der Stadt vom 12. November 2018 bis 26. Mai 2019 stattfanden.

Zu der abschließenden Frauenwahlparty nach der Europawahl kamen viele, denen das Frauenwahllokal im vergangenen halben Jahr ans Herz gewachsen ist: zahlreiche Frauen aller Generationen, einige Männer, die Enkelin von Anna Flügge und natürlich die Akteurinnen, die in dieser Zeit zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenwuchsen.

Die Akteurinnen des Potsdamer Frauenwahllokals, Foto: Caroline Wolff

Foto: Karoline Wolf


Ich habe das Frauenwahllokal gemacht, weil ich selbst eine Frau bin. Und wenn die Frauen damals nicht gekämpft hätten, könnte ich heute keinen Laden betreiben.                    
Eva Schmale

Das Frauenwahllokal war für mich 2017 das Notwendige, weil das Jubiläumsjahr bevorstand und in Potsdam die Frauenbewegung wenig sicht- und spürbar war. Mit dieser tollen Frauengruppe und –initiative haben wir in Potsdam ein neues Stück Frauengeschichte geschrieben.           Sabine Hering

Wie die Spieler*innen der Fußballnationalmannschaft stellten sie sich im Kreis auf und gaben sich noch einmal gegenseitig Energie für diesen (vorerst) letzten öffentlichen Auftritt.

Nach sechs Monaten, der Zusammenarbeit mit über 25 Kooperationspartner*innen und Förder*innen sowie fast 50 Veranstaltungen nicht nur im Frauenwahllokal, sondern auch im Brandenburger Landtag, im Filmmuseum Potsdam, im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte oder im Museum Barberini machten sich zur Finissage am Sonntagabend auch bei ihnen neben Stolz auf das Erreichte vor allem zufriedene Erschöpfung in den Gesichtern breit.

Ich fand es schön, dass wir das Frauenwahllokal im Eiscafé machen konnten, weil hier Menschen darauf aufmerksam wurden, die normalerweise nicht in eine solche Ausstellung gehen.    Jeanette Toussaint

Die unkonventionelle Struktur des Frauenwahllokals macht für mich seine Frische aus. Wir sind in einem halben Jahr zu einer Potsdamer Institution geworden.                                   Uta Kletzing

Für mich war es eine total gute Erfahrung, gemeinsam mit anderen Frauen so ein großes Projekt an den Start zu bringen.       Irene Kirchner

Nicht zuletzt, weil ein Teil von ihnen auch bei den Potsdamer Kommunalwahlen für drei Parteien und Wähler*innengruppen kandidierten und neben Job, Familie und Ehrenamt für das Frauenwahllokal parallel in den vergangenen Wochen auch noch Wahlkampf machten.

Jetzt gab es – zumindest nach den ersten Wahlergebnissen zum Potsdamer Stadtparlament – gelöste Gesichter und angeregte Gespräche. Köstliche selbstgemachte Kleinigkeiten und Sekt durften wie bei vielen anderen Veranstaltungen nicht fehlen. Und auch einige Kinder wuselten wieder zwischen den Besucher*innen im Eiscafé herum.

Wir haben das zurückgekriegt, was wir reingegeben haben. Es kamen sehr junge Frauen, die zum ersten Mal mit Clara Zetkin oder Hedwig Dohm in Berührung kamen.                    Laura Kapp

Die gemeinsame Zeit war toll und das Tempo atemberaubend. Es steckte so viel Power drin.       Rita Schulze

Für mich war es in erster Linie ein Experiment, ob wir es als Frauen überparteilich schaffen, unsere Kräfte zu bündeln. Mein Fazit: Charakterstarke Frauen setzen den gemeinsamen Erfolg vor Konkurrenz.       Jenny Pöller

Aber, auch das war eine Besonderheit des Potsdamer Frauenwahllokals, auch ganz zum Schluss wurde nicht nur gefeiert, sondern auch jetzt gab es noch ein Programm. Ein 17-minütiger Dokumentarfilm über das Potsdamer Frauenwahllokal von Juliane Kuba wurde präsentiert. In ihm stellt die Kuratorin Jeanette Toussaint für Außenstehende die historische Ausstellung über mehr als 100 Jahre Frauenbewegung vor, denn die Ausstellung soll, wenn sie in Potsdam abgebaut ist, auch auf Wanderschaft im Land Brandenburg gehen.

Und Ursula Demitter, Enkelin einer der 1. Potsdamer Stadtverordneten, las einen Brief ihrer Großmutter Anna Flügge vor, den diese nach dem Mauerbau an ihre Nichten im Westen geschrieben hatte. Darin beschrieb sie, was sie erlebte, als sie die Nazis 1944 verhafteten und für kurze Zeit im KZ Ravensbrück inhaftierten. Ursula Demitter erzählte auch, dass sich ihre Cousinen genau wie sie selbst sehr freuen würden, wenn, wie von den Akteurinnen des Frauenwahllokals beabsichtigt, endlich eine Potsdamer Straße nach Anna Flügge benannt wird.

Text:  Astrid Priebs-Tröger

 

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