Sabine: Wir sind stolz darauf, dass die SPD Bundestagsfraktion uns mit dem Marie Juchacz Preis ausgezeichnet hat und danken für die damit verbundene Anerkennung unserer Arbeit.
Irene: Wir möchten diese Auszeichnung zum Anlass nehmen, einen kurzen Bogen von der Namensgeberin des Preises zu unserem Projekt ‚Frauenwahllokal‘ und wieder zurück zum Verhältnis Frauenbewegung und Sozialdemokratie zu schlagen.
Sabine: Marie Juchacz, die in diesem Jahr anstelle von Otto Wels als Namensgeberin des Preises ausgewählt wurde, ist vor allem durch ihre Rede, die sie genau vor 100 Jahren in der Nationalversammlung gehalten hat, berühmt geworden: Wir kennen die Rede alle:
Laura: Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als freie und gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf – und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die Vorurteile überwunden hat. Gemäß ihrer Weltanschauung konnte und durfte eine vom Volke beauftragte sozialistische Regierung nicht anders handeln, als sie gehandelt hat.
Sabine: Den Umstand, dass sie in erster Linie Ruhm und Ehre durch diese Reichstagsrede erlangte, verbindet sie übrigens mit Otto Wels, ihrem Vorgänger als Namengeber des Preises. Er sagte bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz 1933:
Rita: Freiheit und Leben kann man uns nehmen, aber die Ehre nicht.werden, geht es vor allem um diese Aspekte.
Alexa: Es wird nicht nur zahlreiche Begegnungen von jNach den Verfolgungen, welche die Sozialdemokratie in der letzten Zeit erlitten hat, kann niemand von uns erwarten, dass wir dem Ermächtigungsgesetz zustimmen. Wir sind wehrlos, aber nicht ehrlos.
Sabine: Ganz sicher lässt sich die Bedeutung von Wels nicht auf diese Rede reduzieren, aber das trifft für Marie Juchacz natürlich genauso zu. Nehmen wir z.B. das in Zitat von Juchacz aus einem Artikel in der Gleichheit aus dem Jahre 1919.
Sarah: Unsere Forderung lautet: Abschaffung aller Gesetze, welche die die Frau in öffentlicher und privatrechtlicher Beziehung gegenüber dem Mann benachteiligt. Diese Forderung kann nur durch die Lösung aller Klassen-, Menschheits- und Kulturprobleme, an denen beide Geschlechter interessiert sind, ihre volle Erfüllung finden.
Sabine: Diese Forderungen finden sich gegenwärtig auch in den Verlautbarungen des Frauenwahllokals wieder:
Jeanette: Das Frauenwahllokal will nicht nur an die historischen Ereignisse erinnern, die 1918 zum Frauenstimmrecht geführt haben, sondern auch die Durchsetzung frauenpolitischer Forderungen zum Abbau der nach wie vor existierenden Benachteiligungen von Frauen unterstützen.
Sabine: In den zahlreichen Veranstaltungen, die noch im Rahmen des Frauenwahllokals bis Ende Mai stattfinden ungen Frauen mit erfahrenen Politikerinnen geben, bei denen – im Sinne eines Speed-Mentoring-Programms Vorurteile gegenüber der Unvereinbarkeit von frauenpolitischen Engagement und Familie abgebaut werden sollen, sondern auch eine erst Wählerinnen Nacht, um das politische Engagement bei jungen Frauen zu wecken.
Sabine: Der Umstand, dass im Zuge der Erinnerung an die Kämpfe um das Frauenstimmrecht der Forderung nach Parität in den Parlamenten ein bemerkenswerter Aufschwung zuteilwurde, hat die beiden Ziele des Frauenwahllokals ‚Würdigung der historischen Ereignisse‘ und ‚Förderung der politischen Teilhabe von Frauen in dem Superwahljahr 2019 in Brandenburg‘ geradezu kongenial zusammengefügt.
Julia: .Mit der Veranstaltung ‚Wir wollen die Hälfte der Welt‘, die am 18.03.2019 im Museum Barberini in Potsdam stattfinden wird, sollen deutliche Signale für den Aufbruch zu einer neuen Frauenbewegung und zu neuen Zielen und Formen von Politik gesetzt werden.
Sabine: Wenn die Sozialdemokratie sich rühmen darf, seit 1895 als einzige Partei kontinuierlich das Wahlrecht für die Frauen im Reichstag gefordert zu haben, besteht jetzt die berechtigte Hoffnung, dass sie – die Bündnisse nutzend, die ihr damals fehlten – die Parität auch über Brandenburgs Grenzen hinaus durchzusetzen. Die Argumente dafür liegen auf dem Tisch:
Uta: Alle Frauenrechte sind erkämpft worden und nicht vom Himmel gefallen. Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, damit Frauen in der Politik gleichberechtigt aktiv sein können. Das Wahlrecht kann dabei ein wichtiger Hebel sein. In Frankreich, Spanien oder Argentinien gibt es schon Regelungen, die sicherstellen oder befördern, dass Frauen und Männer paritätisch in allen Parlamenten vertreten sind – so Ministerin Franziska Giffey in der vergangenen Woche.
Sabine: Auch wenn die gelichberechtigte Beteiligung von Frauen in der Politik nicht zwangsläufig eine Garantie für die Durchsetzung frauenpolitischer Forderungen darstellt, ist die Parität doch ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine bessere Welt, so wie Marie Juchacz sie erträumt hat.
Jenny: Im Zentrum das Gedenken an Marie Juchacz, die in ihrem Buch ‚Sie lebten für eine bessere Welt‘ bedeutende Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung der Frau gewürdigt hat, stand und steht noch heute ihr großes Engagement für die Freiheit, Gleichheit und Solidarität aller Menschen.
Für das Frauenwahllokal: Alexa Bower, Julia Haebler, Sabine Hering, Laura Kapp, Irene Kirchner, Uta Kletzing, Jenny Pöller, Elsa Reinke, Rita Schulze, Jeanette Toussaint, Sarah Zalfen